Room 77 – Ein persönlicher Nachruf

Das legendäre Room 77 schließt für immer. Ein persönlicher Nachruf auf das Room 77.

Da war er dann auf einmal, der kurze Moment des Glücks. Ich hatte mich gerade zurückgelehnt auf meinem Stuhl, der auf einem kleinen Podest links von der Theke stand. Von dieser leicht erhöhten Position konnte ich die kleine Kneipe namens Room 77 gut überblicken. Das Room 77 war voll an diesem Freitag Abend vor der Lightning Conference vor ziemlich genau einem Jahr im Oktober 2019, viele Bitcoiner hatten sich in dieser legendäre Kneipe eingefunden. 

Stephan Livera war da. Bis gerade eben saß ich an der Theke in einer Runde mit Aaron von Wirdum, der von seiner Arbeit an einem neuen Buchprojekt über die Vorgeschichte von Bitcoin erzählte. Colin Harper, auch vom Bitcoin Magazine, kam zur Tür herein und wurde gleich befragt, wie seine Reise zur Lightning Conference von den USA durch Europa nach Berlin mit ausschließlich Bitcoin als Zahlungsmittel gelaufen war.

Als ich zur Lightning Conference nach Berlin fuhr, wusste ich, dass ich auf jeden Fall in den Room 77 wollte. Die Kneipe, die als erster Laden  Bitcoin akzeptierte. Wo Andreas Schildbach eine der ersten Bitcoin Wallets für Mobiltelefone entwickelte – ich habe mir sagen lassen, weil er hier nicht mehr mit dem Laptop auf dem Schoß sein Bier und Burger bezahlen wollte. Hier fand jeden ersten Donnerstag im Monat das am längsten existierende regelmäßige Bitcoin-Meetup statt. Und es war eine Art Clubhaus der Bitcoiner – alle waren sie schon hier gewesen.

Am Ende war ich an jedem der drei Abende, die ich in Berlin war, im Room 77. Am Freitag Abend vor der Lightning Conference saß ich nun entspannt zurückgelehnt auf meinem Stuhl, hatte ein frisches kühles Bier in der Hand (natürlich über Lightning bezahlt), und schaute auf das Treiben um mich herum. Luisa vom Fulmo-Team, die die Konferenz organisierte, blickte von ihrem Laptop hoch zu mir rüber und fragte, ob alles okay sei. Ja, antwortete ich und sagte: ich bin einfach glücklich. Kaum hatte ich diese Worte gesprochen, wurde mir bewusst, das ich gerade einen dieser für uns alle seltenen, kurzen Momente hatte, in denen man Glück empfindet.

Ich will gar nicht philosophieren, warum und wie ich in diesem Augenblick glücklich war. Ich spürte es einfach. Mehr kann man wahrscheinlich gar nicht aus dieser Geschichte herauslesen.

Der Room 77 ist Geschichte. Am Sonntag wurde bekannt, dass das Room 77 geschlossen bleibt, nachdem es wegen Corona in den letzten Monaten sowieso nicht geöffnet hatte. Zum Abschied gab sich der Room 77 in einem Reddit-Beitrag als eine außerirdische Mission zu erkennen, die ihre Arbeit an der Verbreitung und Erklärung eines soliden Geldes als abgeschlossen ansieht und deswegen in ihre Heimat in einem bisher von uns unentdeckten Sonnensystem zurückkehrt. Ich wünsche euch eine gute Reise, Freunde. Wir sehen uns wieder.

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